Lippe macht sich auf den Weg in die Zukunft. Die Welt um uns herum befindet sich im Umbruch. Und alles, was um uns herum passiert, wird die Entwicklung und das Leben der Menschen in Lippe beeinflussen. Die Frage ist nur, ob Lippe zum Spielball globaler Entwicklungen wird oder ob wir durch planvolles Handeln Einfluss nehmen auf die Veränderungsprozesse oder diese planvoll gestalten wollen.
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Chancen nutzen, Risiken vermeiden
Der Kreis Lippe hat mit wissenschaftlicher Begleitung folgende wesentliche globale und nationale Prozesse, sogenannte Megatrends, identifiziert:
- Die demographische Entwicklung wird in ländlich geprägten Regionen zu einem teils dramatischen Rückgang der Bevölkerung führen. Wir haben es nicht nur mit einem Rückgang der Bevölkerung insgesamt zu tun, sondern auch mit einem verstärkten Trend zum Leben in der Stadt vor allem in den jüngeren Generationen. Der Prozess, der bereits in vollem Gange ist, gefährdet die Existenz ländlicher Regionen, Ortschaften und Dörfer. Es wird immer schwieriger, für weniger Menschen eine funktionierende Infrastruktur und ein kulturelles Angebot aufrecht zu erhalten.
- Demgegenüber steht aktuell eine große Anzahl von Migrantinnen und Migranten, die vor Kriegen, Naturkatastrophen und prekären Lebensverhältnissen in ihren Herkunftsländern fliehen. Allein 2015 kam rund eine Million Menschen nach Deutschland. Der Einwanderungsdruck wird auch in den folgenden Jahren voraussichtlich nicht nachlassen.
- Durch die fortschreitende Globalisierung steigt die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von internationalen Handelsbeziehungen. Auf der einen Seite entstehen neue Absatzmärkte, auf der anderen Seite wächst durch ausländische Importe die Konkurrenz für die heimische Wirtschaft.
- Die Digitalisierung verändert die Arbeits- und Lebenswelt der Menschen. In den Unternehmen werden sich die Anforderungen an die Beschäftigten grundlegend verändern. Zahlreiche klassische Berufs- und Tätigkeitsfelder werden im Zuge der Vierten Industriellen Revolution, also mit dem sogenannten Industrie-4.0-Prozess, verschwinden. Die Anforderungen an die Arbeitskräfte von morgen werden sich verändern.
- Der weltweite Ressourcen-Verbrauch und der Klimawandel beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung und die Lebensqualität der Menschen. Wirtschaftsprozesse mit einem hohen Energie- und Ressourcenverbrauch geraten unter Druck und die klimatischen Veränderungen führen auch in Deutschland zu steigenden Kosten durch Naturereignisse.
Viele dieser Megatrends bergen Chancen und Risiken und Lippe tut gut daran, sich die Chancen systematisch zu erarbeiten und Risiken zu minimieren. Dazu muss Lippe seine Stärken ausbauen und Schwächen minimieren:
- Lippische Unternehmen gehören im Spitzencluster OWL zu den Vorreitern der Digitalisierung. Moderne Produktionsprozesse versetzen sie in die Lage, ihre Waren und Dienstleistungen weltweit zu vermarkten. Lippe kann aus der Globalisierung als Gewinner hervorgehen, wenn es gelingt, auch die Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen, Handel und Handwerk bei der Digitalisierung mitzunehmen. Grundlegend dafür ist unter anderem die flächendeckende Versorgung mit Breitband-Angeboten, insbesondere der Ausbau des Glasfasernetzes.
- Gleichzeitig müssen die Beschäftigten in die Lage versetzt werden, in der digitalen Arbeitswelt zu Recht zu kommen. Die Digitalisierung bietet die Chance zur Schaffung einer Vielzahl neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Gleichzeitig versetzt digitales Anwender-Know-How die Menschen in die Lage, digitale Angebote in anderen Lebensbereichen zu nutzen, was zu weiteren Wachstumsimpulsen beiträgt.
- Ein absehbarer Mangel an Fachkräften droht die Wirtschaftsentwicklung abzuwürgen. Mit dem Zuzug von Migrantinnen und Migranten und deren systematischer Integration bietet sich nicht zum ersten Mal die Chance, Beschäftigungslücken zu schließen. Mehr noch: Migrantinnen und Migranten können zum Teil den Bevölkerungsrückgang kompensieren und durch ihre Nachfrage und durch ihr Engagement ländliche Strukturen stärken.
- Lippe verfügt in vielen Fällen noch über intakte Dorfgemeinschaften. Diese zu stärken ist eine wichtige Aufgabe kommunalen Handelns. Entscheidend für den Fortbestand der Dörfer ist es, ob Familien über alle Generationen hinweg dort eine Lebensperspektive finden. Dazu gehören familiengerechte Angebote, die auch auf dem Land die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Neue Mobilitätskonzepte müssen den Menschen einen Zugang zu Versorgungseinrichtungen und kulturellen Angeboten ermöglichen. Und die Anbindung an die Datenautobahnen bietet auch im ländlichen Raum Chancen für Wirtschaft und Beschäftigung.
- Der Klimawandel wird zu einem verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien und auch auf dem Lande zu einer vermehrten Nachfrage im Bereich der Elektromobilität führen. Lippe hat hier durch eine Reihe von Musterprojekten einen großen Entwicklungsvorsprung, der konsequent für wirtschaftliches Wachstum genutzt werden kann.
Die Chancen und Risiken der Megatrends und der Stärken und Schwächen Lippes wurden im Rahmen einer SWOT-Analyse bewertet (s. Anhang, „SWOT-Analyse“). Dabei steht S-W-O-T für eigene Stärken (S = Strengths), Schwächen (W = Weaknesses), (inter-)nationale Chancen (O = Opportunities) und (inter-)nationale Risiken (T = Threats). Wir konnten auf diese Weise Strategien entwickeln. Da, wo wir stark sind, können wir nun unsere Position zielgerichtet ausbauen, wo wir schwach sind, können wir aufholen. Allgemeinen Entwicklungsrisiken begegnen wir, indem wir unsere Stärken absichern. Und schließlich wissen wir, wo akuter Handlungsbedarf besteht, um eine für Lippe negative Entwicklung zu vermeiden.
Von besonderer Bedeutung ist in dem Zusammenhang eine regionale Entwicklungsstrategie. Innovationen gelten als die wichtigsten Entwicklungsmotoren für Regionen. Fehlende Innovationskraft führt geradewegs in eine Abwärtsspirale aus wachsender Arbeitslosigkeit, zunehmenden sozialen Lasten, einer immer prekärer werdenden Finanzausstattung der Kommunen und damit verbundenen sozialen Verwerfungen. Technologische, produktorientierte, prozessuale, soziale und marktorientierte Innovationen hingegen begründen eine breite Verbesserung der Lebensqualität innerhalb der Region. Die Zukunftssicherung der Kommunen bedarf daher einer abgestimmten, strategischen und regionalen Innovationsstrategie, die Potenziale von regionalen Clusterentwicklungen nutzt.
In diesem Sinne zielt die Innovationsstrategie darauf ab, die ökonomische, technische und soziale Innovationsfähigkeit von produzierendem Gewerbe, Zulieferern, Dienstleistern, Handwerkern, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie anderen Organisationen in Lippe zu verbessern. Das umfasst die Initiierung, konzeptionelle Entwicklung, Förderung und Implementation geeigneter Maßnahmen und Instrumente. Der Kreis Lippe sieht sich dabei als strategischer Partner für regionale Innovationen und als struktureller Innovationsbereiter.
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Finanzielle Rahmenbedingungen für den Kreis Lippe
Die Umsetzung strategischer Entwicklungsziele verlangt eine hinreichende Finanzierung. Demgegenüber steht eine völlig unzureichende Finanzausstattung der kommunalen Haushalte. Bund und Land haben den Kommunen und Kreisen immer neue Pflichtaufgaben auferlegt ohne diese Leistungen finanziell abzusichern. Im Kreis Lippe machen die Sozial- und Jugendhilfeaufwendungen rund drei Viertel des Gesamthaushalts von 430 Millionen Euro aus. Mit Personal und Sachkosten liegt der Satz bei rund 84 Prozent. Alle anderen Aufgaben müssen daher aus dem restlichen Haushaltsvolumen bezahlt werden.
Die Steuereinnahmen pro Einwohner liegen in Lippe unter dem Durchschnitt aller Kommunen und des ländlichen Raums in NRW. Das Zukunftskonzept Lippe 2025 muss daher den Strukturwandel weiter vorantreiben.
Aus finanzieller Sicht gilt es gleichwohl, trotz leerer Kassen Ressourcen bereit zu stellen, um das Zukunftskonzept Lippe 2025 mit Leben zu füllen. Dazu müssen strategische Handlungsfelder beschritten werden:
- Gesellschaftliche Akteure profitieren vom Erreichen der im Zukunftskonzept Lippe 2025 beschriebenen Entwicklungsziele. Unser Anliegen ist es daher, dass sie den Mehrwert und Nutzen der Maßnahmen für ihre eigenen Ziele und Interessen erkennen und diese mitfinanzieren helfen. Bereits jetzt werden die Leistungen der Verwaltung von vielen Unternehmen anerkannt und sie sind bereit, auch eigene Mittel aufzubringen.
- Das Zukunftskonzept Lippe 2025 als breit angelegter Innovationsprozess kann auch für andere Regionen beispielhaft sein. Dort wo Lippe zukunftsfähige Ansätze entwickelt, besteht die Möglichkeit Fördermittel der EU, des Bundes und des Landes zu gewinnen. Zunehmend werden Fördermittel nach den Kriterien Übertragbarkeit, Neuartigkeit und Zielgerichtetheit der dargelegten Lösungsansätze vergeben. Vor diesem Hintergrund sind Projekte von Beginn an auch mit Blick auf deren regionale und überregionale Bedeutung zu entwickeln. Der Kreis wird daher ein Fördermittelmanagement einführen, das auf die rechtzeitige und systematische Akquisition von Fördermitteln abzielt.
- Klassische Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung greifen zu kurz, weil sie die Zukunftsentwicklung ausblenden. Haushaltskonsolidierung muss künftig stärker als ein Prozess verstanden werden, der die Handlungsfähigkeit für die Fortentwicklung einer Region sichert.
- Der Kreis wird eine Priorisierung seiner Aufgaben vornehmen. Dabei wird es notwendig sein, Aufgaben zu verändern, einzuschränken oder auch entfallen zu lassen, wenn sie nicht oder nur unwesentlich zur Zukunftsfähigkeit Lippes beitragen. Der Kreis wird die Aufgaben nach einem einheitlichen System auf ihre Wirkungen im Sinne der Zielerreichung hin bewerten und priorisieren.
- Leistungen des Kreises müssen auch besser „vermarktet“ werden – auch mit Blick auf eine mögliche Refinanzierung durch Dritte. Durch kommunale Kooperationen im Sinne einer kreisinternen Funktionalreform lassen sich Leistungen halten und Kosten senken. Schließlich wird der Kreis Lippe über die Spitzenverbände für eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen streiten.
Neben der Aufgabenplanung ist die Entwicklung und Fortschreibung eines langjährigen finanziellen Handlungsrahmens notwendig – sowohl für Pflichtaufgaben als auch für die strategische Weiterentwicklung.